NEWS - Sorgerecht
Väterdiskriminierung – Weg mit § 1626a BGB
veröffentlicht am 06.12.2009 (hr)
An den 03.12.2009 wird die Familienwüste Deutschland noch lange denken. 11 Jahre nach seiner Einführung wackelt DER Diskriminierungsparagraf des BGB gewaltig. Dazu bedurfte es aber erst einer schallenden Ohrfeige aus Europa.
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Zur Rechtslage

Art. 8 EMRK. Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens.

(1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.

(2) Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.


Art. 14 EMRK. Diskriminierungsverbot.

Der Genuss der in dieser Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten.


§ 1626 a BGB. Elterliche Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern; Sorgeerklärungen.

(1) Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so steht ihnen die elterliche Sorge dann gemeinsam zu, wenn sie

1. erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärungen), oder
2. einander heiraten.

(2) Im Übrigen hat die Mutter die elterliche Sorge.


Das muss nun geändert werden. Nach dem Urteil vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (EGMR) ist die deutsche Regierung aufgefordert, schnellstmöglich die Gesetzeslage zu überprüfen und zu korrigieren. Noch im Jahre 2003 hat das Bundesverfassungsgericht §1626a BGB mit der Begründung, „lieber kein Sorgerecht als dauernden Streit“, gebilligt. Allerdings mit der Hausaufgabe für die damalige Regierung zu überprüfen, ob man diesen Vätern nicht einen besseren Zugang zu einem gemeinsamen Sorgerecht geben könnte. Diese wurde ignoriert. Nicht verheiratete Väter waren also weiterhin davon abhängig, dass die Mutter einer gemeinsamen Sorge zustimmt. Ein Machtmonopol für Mütter, das Väter zu Elternteilen zweiter Klasse degradierte. Die Mutter alleine durfte weiterhin alleine über Schulbesuche, Geldangelegenheiten und Operationen der gemeinsamen Kinder entscheiden. Dieses Vetorecht gibt es außer in Deutschland nur noch in der Schweiz, in Österreich und in Lichtenstein. Der Rest von Euro hat das gemeinsame Sorgerecht von Geburt an automatisch, egal ob verheiratet oder nicht. Nun geht der Trend aber immer mehr zur nichtehelichen Beziehung. Jedes dritte Kind wird zurzeit in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft geboren. Von einer betroffenen Minderheit zu reden, wäre reine Augenwischerei.

Der Fall Zaunegger war keine Einzelfallentscheidung, die nur diesem einen Vater etwas nützen wird. Zaunegger hat nicht gegen die Mutter geklagt sondern gegen Deutschland. Es wurde in dem Verfahren auch über die Rechte deutscher Väter im Allgemeinen mitentschieden. Die Kammer des EGMR hat eindeutig einen Verstoß gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention festgestellt. Die Bevorzugung von unverheirateten Müttern gegenüber den Vätern sei ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot in Artikel 14, heißt es in dem Urteil. Nun sollte Schluss sein mit der „Zahlvater“-Diskussion in Deutschland.

Das Urteil fiel in einer kleinen Kammer des Gerichts mit sechs Stimmen gegen eine (diese stammte von einem deutschen Richter). Der deutsche Richter Bertram Schmitt trat dafür ein, den Deutschen ihre Regelung zum Sorgerecht für nichteheliche Kinder zu erhalten. Dies sei besser als per Gerichtsbeschluss „erzwungene Harmonie“. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass selbst der Richter aus Lichtenstein eine Diskriminierung bejaht hat. Die Bundesregierung kann nun binnen drei Monaten eine Überprüfung durch die Große Kammer des Straßburger Gerichts beantragen.
Eine Übersetzung des Urteils:

Eine Übersetzung des Urteils:

Kammerurteil1

Zaunegger gegen Deutschland (Beschwerde-Nr. 22028/04)


AUSSCHLUSS EINER GERICHTLICHEN EINZELFALLPRÜFUNG DER SORGERECHTSREGELUNG DISKRIMINIERT VATER EINES UNEHELICHEN KINDES

Verletzung von Artikel 14 (Diskriminierungsverbot) in Verbindung mit Artikel 8 (Recht auf Achtung des Familienlebens) der Europäischen Menschenrechtskonvention

Zusammenfassung des Sachverhalts

Der Beschwerdeführer, Horst Zaunegger, ist deutscher Staatsangehöriger, 1964 geboren, und lebt in Pulheim. Er hat eine uneheliche Tochter, die 1995 geboren wurde und bei beiden Eltern aufwuchs bis diese sich 1998 trennten. Danach lebte das Kind bis zum Januar 2001 beim Vater. Nach dem Umzug des Kindes in die Wohnung der Mutter trafen die Eltern unter Vermittlung des Jugendamtes eine Umgangsvereinbarung, die regelmäßigen Kontakt des Vaters mit dem Kind vorsah.

Gemäß § 1626 a Absatz 2 BGB hatte die Mutter das alleinige Sorgerecht für das Kind. Da sie nicht bereit war, einer gemeinsamen Sorgeerklärung zuzustimmen, beantragte der Beschwerdeführer die gerichtliche Zuweisung des gemeinsamen Sorgerechts. Das Amtsgericht Köln lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass nach deutschem Recht Eltern unehelicher Kinder die gemeinsame Sorge nur durch eine gemeinsame Erklärung, durch Heirat oder durch gerichtliche Übertragung mit Zustimmung der Mutter nach § 1672 Absatz 1 erlangen können. Das Oberlandesgericht Köln bestätigte die Entscheidung im Oktober 2003.

Beide Gerichte bezogen sich auf ein Leiturteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Januar 2003, das § 1626 a BGB im Wesentlichen für verfassungsgemäß erklärt hatte. Für Paare mit unehelichen Kindern, die sich nach dem Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes am 1. Juli 1998 getrennt hatten, findet die Bestimmung Anwendung.

Am 15. Dezember 2003 wies das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zurück.

Beschwerde, Verfahren und Zusammensetzung des Gerichtshofs

Der Beschwerdeführer beklagte sich insbesondere unter Berufung auf Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8, dass die Anwendung von § 1626 a Absatz 2 BGB unverheiratete Väter wegen ihres Geschlechts und im Verhältnis zu geschiedenen Vätern diskriminiere.

Die Beschwerde wurde am 15. Juni 2004 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingelegt.

Das Urteil wurde von einer Kammer mit sieben Richtern gefällt, die sich wie folgt zusammensetzte:

Peer Lorenzen (Dänemark), Präsident / Karel Jungwiert (Tschechien) / Rait Maruste (Estland) / Mark Villiger (Liechtenstein) / Isabelle Berro-Lefèvre (Monaco) / Mirjana Lazarova Trajkovska (ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien), Richter / Bertram Schmitt (Deutschland), Richter ad hoc / Stephen Phillips, Stellvertretender Sektionskanzler.


Entscheidung des Gerichtshofs

Der Gerichtshof stellte fest, dass der Beschwerdeführer mit der Ablehnung des Antrags auf gerichtliche Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts ohne weitere Prüfung, ob dadurch die Interessen des Kindes gefährdet würden, anders behandelt worden war als die Mutter und als verheiratete Väter. Um zu prüfen, ob es sich dabei um eine Diskriminierung im Sinne von Artikel 14 handelte, erwog der Gerichtshof zunächst, dass § 1626 a BGB, auf dessen Grundlage die deutschen Gerichte entschieden hatten, auf den Schutz des Kindeswohls abzielt. Die Regelung soll gewährleisten, dass das Kind ab seiner Geburt eine Person hat, die klar als gesetzlicher Vertreter handeln kann, und Konflikte zwischen den Eltern über Sorgerechtsfragen zum Nachteil des Kindes vermeiden. Die Gerichtsentscheidungen hatten demnach einen legitimen Zweck verfolgt.

Weiterhin nahm der Gerichtshof zur Kenntnis, dass es stichhaltige Gründe geben kann, dem Vater eines unehelichen Kindes die Teilhabe an der elterlichen Sorge abzusprechen, etwa wenn ein Mangel an Kommunikation zwischen den Eltern droht, dem Kindeswohl zu schaden. Diese Erwägungen ließen sich auf den vorliegenden Fall aber nicht anwenden, da der Beschwerdeführer sich weiterhin regelmäßig um sein Kind kümmert.

Der Gerichtshof teilte die Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts nicht, dass ein gemeinsames Sorgerecht gegen den Willen der Mutter grundsätzlich dem Kindeswohl zuwiderlaufe. Gerichtsverfahren zur Regelung der elterlichen Sorge könnten auf ein Kind zwar verstörend wirken, allerdings sieht das deutsche Recht eine gerichtliche Überprüfung der Sorgerechtsregelung in Trennungsfällen vor, in denen die Eltern verheiratet sind, oder waren, oder eine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben haben. Der Gerichtshof sah keine hinreichenden Gründe, warum die Situation im vorliegenden Fall weniger gerichtliche Prüfungsmöglichkeiten zulassen sollte.

Folglich war der generelle Ausschluss einer gerichtlichen Prüfung des alleinigen Sorgerechts der Mutter im Hinblick auf den verfolgten Zweck, nämlich den Schutz der Interessen des unehelichen Kindes, nicht verhältnismäßig. Der Gerichtshof kam daher mit sechs Stimmen zu einer Stimme zu dem Schluss, dass eine Verletzung von Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 vorlag.

Der Gerichtshof vertrat außerdem einstimmig, dass die Feststellung einer Verletzung der Konvention eine ausreichende gerechte Entschädigung für den erlittenen immateriellen Schaden darstellt.

***Das Urteil liegt nur auf Englisch vor. Diese Pressemitteilung ist von der Kanzlei erstellt und für den Gerichtshof nicht bindend. Die Urteile des Gerichtshofs stehen auf seiner Website zur Verfügung (http://www.echr.coe.int).

1 Gemäß Artikel 43 der Konvention kann jede Partei innerhalb von drei Monaten nach dem Datum eines Urteils der Kammer in Ausnahmefällen die Verweisung der Rechtssache an die Große Kammer mit siebzehn Richtern beantragen. In diesem Fall berät ein Ausschuss von fünf Richtern, ob die Rechtssache eine schwerwiegende Frage der Auslegung oder Anwendung der Konvention oder ihrer Zusatzprotokolle, oder eine schwerwiegende Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft; in diesem Fall entscheidet die Große Kammer durch endgültiges Urteil. Wenn keine solche Frage aufgeworfen wird, lehnt der Ausschuss den Antrag ab, womit das Urteil rechtskräftig wird. Anderenfalls werden Kammerurteile entweder nach Ablauf der Drei-Monats-Frist rechtskräftig oder früher, sobald die Parteien erklären, dass sie die Verweisung der Rechtssache an die Große Kammer nicht beantragen werden.

Pressestimmen zum Urteil:

03.12.2009 „Wir werden jetzt die Debatte über gesetzgeberische Änderungen sorgfältig und mit Hochdruck führen, jedoch gebe ich zu bedenken, dass der Straßburger Gerichtshof nicht die abstrakte Gesetzeslage, sondern einen Einzelfall beurteilt hat. Das Bundesjustizministerium hat deshalb eine wissenschaftliche Untersuchung in Auftrag gegeben, um zu prüfen, ob die damaligen Beweggründe der Kindschaftsrechtsreform von 1998  auch heute noch Bestand haben.“

04.12.2009 „Noch in dieser Legislaturperiode will ich einen Gesetzentwurf vorlegen. Die Anliegen lediger Väter müssen stärker berücksichtigt werden. Es ist aber dann keine gute Lösung, wenn schon bei der Geburt des Kindes Vater und Mutter nicht mehr zusammenleben. Väter müssten aber auch ohne zwingende Zustimmung der Mutter ein Sorgerecht bekommen können. Es gibt  nicht wenige Väter von nichtehelichen Kindern, die Verantwortung für das Kind übernehmen wollten und das nicht als Machtfrage gegen die Mutter ansehen.“

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) – Bundesjustizministerin

Die bayerische Justizministerin kommentierte das Urteil zurückhaltend. Zwar müsse „Das Sorgerecht der Väter muss zwar gestärkt werden, aber ohne dass es auf Kosten der Kinder geht. Das Kindeswohl muss  uneingeschränkt an erster Stelle stehen. Der Kontakt zwischen Vater und Kind ist  schon durch das Umgangsrecht gewährleistet. Ich halte daher nichts von einer generellen Regelung, wonach ledige Väter grundsätzlich ein gemeinsames Sorgerecht erhalten sollen. "Oberste Leitlinie muss das Interesse des Kindes sein! Ich halte daher nichts von einer generellen Regelung, wonach ledige Väter grundsätzlich ein gemeinsames Sorgerecht erhalten sollen. Single-Vätern soll das Sorgerecht zustehen können, wenn dies das Kindeswohl erfordert. Also beispielsweise dann, wenn das Kind bereits eine enge Verbindung zum Vater hat, und er seine Vaterschaft sehr ernst nimmt. Die Anerkennung der Vaterschaft wird hier als eine Voraussetzung zu fordern sein. Nur wenn diese Voraussetzungen vorliegen, soll der Vater auch mitentscheiden dürfen, wo das Kind lebt oder zur Schule geht. Keinesfalls aber dürfen Streitigkeiten und Konflikte des nichtehelichen Verhältnisses der Eltern auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden. Denn Kinder brauchen für ihre Entwicklung geordnete und harmonische Lebensverhältnisse. Sie haben sich die Familienverhältnisse nicht ausgesucht. Der Gesetzgeber muss hier sehr behutsam vorgehen, damit gerichtliche Auseinandersetzungen zu Lasten der Kinder nicht vorprogrammiert werden"

Beate Merk (CSU) - bayerische Justizministerin

„Unverheiratete Väter sind  bislang relativ rechtlos gewesen. Eine Änderung war hier schon lange mit Nachdruck gefordert worden.“

Isabell Götz - stellvertretende Vorsitzende vom deutschen Familiengerichtstag

"Das Urteil aus Straßburg ist eine wegweisende Entscheidung für Väter. So müssen die Kinder nicht mehr ohne sie aufwachsen"

Douglas Wolfsperger - Regisseur

"Das Urteil spricht eigentlich eine Selbstverständlichkeit aus. Keinem Elternteil darf von vornherein die Chance genommen werden, Sorge für das Kind zu übernehmen."

Michael Reissenberger - SWR-Rechtsredakteur

 „Nun muss der deutsche Gesetzgeber die Konsequenzen ziehen und das Sorgerecht reformieren, wir erwarten, dass Deutschland das Urteil des Menschrechtsgerichtshofs möglichst schnell umsetzt.“

Josef Linsler - Vorsitzende des Interessenverbandes Unterhalt und Familie

Wie viele Väter betrifft das Urteil?
So genau ist das nicht zu ermitteln. Schließlich raten Anwälte bisher von Klagen wegen der geringen Erfolgsaussichten für unverheiratete Väter ab. Aber über die Geburt und die Zahl der nichtehelichen Kinder in Deutschland kann man sich nähern. Im Jahr 2008 wurden laut Statistischem Bundesamt 218 887 nichteheliche Kinder in Deutschland geboren, 1993 waren es noch 118 284 – Tendenz weiter steigend. Die meisten davon werden in den alten Bundesländern zur Welt gebracht. 2008 waren es dort 141 864. Allerdings wächst nicht jedes Kind, das unehelich geboren ist, auch unehelich auf. Sprich: Viele Paare heiraten erst, nachdem sie ein Kind bekommen haben. Etwas genauer ist der Blick auf die Zahl nichtehelicher Kinder. Im Jahr 2008 lag sie laut Mikrozensus bei 12 360 (Kinder bis zu 18 Jahren). Die größte Altersgruppe bilden dabei die Zehn- bis 15-Jährigen (3425). Bei den unter Dreijährigen sind es 1538.

Tagesspiegel vom 04.12.2009

"Ein kluges Urteil. Der Europäische Gerichtshof hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung in einem Detail korrigiert. In Bezug auf das Antidiskriminierungsgesetz muss das deutsche Recht auch für nicht verheiratete Väter die Möglichkeit offen lassen, per Gerichtsverfahren über die gemeinsame Sorge zu befinden. Das Problem im Alltag liegt aber ganz woanders: Die tatsächliche Wahrnehmung des gemeinsamen Sorgerechts für getrennt lebende Väter hat sich seit der Kindschaftsrechtsreform 1998 nicht verbessert. Der Umgang mit dem Kind ist ohnehin völlig unabhängig vom Sorgerecht möglich. Hier sieht die Realität in der Regel so aus, dass sich ein großer Teil der Väter nach der Trennung nicht mehr für ihre Kinder interessiert.

Nicht, wer das Sorgerecht hat, sondern wer sich tatsächlich um das Kind sorgt, das zählt für Kinder: Wie viel Zeit sie mit dem Vater verbringen können, wie gut er sie kennt, ob er überhaupt einschätzen kann, an welcher Schule sein Kind sich wohl fühlen wird, ob er die Menschen kennt, mit denen sein Kind täglich zu tun hat. Ob er für sein Kind da ist, mit ihm spricht, sich um es kümmert. Dazu sind Väter jedoch nicht verpflichtet. Selbst ihr Recht, den Vater regelmäßig zu treffen, können viele Kinder von getrennt lebenden Eltern oft nicht realisieren. Denn gegen den Willen des Vaters ist dies nicht möglich. Auch bei bestehenden Umgangsregelungen werden Kinder oft enttäuscht: Der Vater sagt überraschend ab, kommt nicht zur Geburtstagsfeier, der geplante Ausflug fällt aus. Daran ändert auch ein gemeinsames Sorgerecht nichts.

Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter begrüßt, dass der Europäische Gerichtshof nicht verkennt, dass es gute Gründe gegen die gemeinsame Sorge geben kann, was er ausführlich begründet. Für die Kinder kann die Ausübung der alleinigen Sorge auch die bessere Alternative sein."

Edith Schwab - Vorsitzende des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV)

"Kinder brauchen Mütter und Väter gleichermaßen. Es kann nicht sein, dass das Sorgerecht von Vätern plötzlich mit dem Ende einer Beziehung endet. Die Vaterschaft begleitet ein Kind das Leben lang. Dabei kann nicht nur das Unterhaltsrecht eine Rolle nach Beziehungsende der Eltern spielen, auch das Sorgerecht muss ledigen Vätern in einer solchen Situation zustehen. Die heutige Entscheidung ist ein guter Tag für ledige Väter in Deutschland, aber vor allem für die betroffenen Kinder. Der EuGH hat in der heutigen Entscheidung deutlich gemacht, dass die deutsche Rechtslage für ledige Väter eine Diskriminierung darstellt.“

Annegret Kramp-Karrenbauer - saarländische Familienministerin

„Heute ist ein guter Tag für Väter. Die bisherige Regelung hat die Chancen für Väter auf die Wahrnehmung der Sorge für ihre unehelichen Kinder erheblich erschwert. Bislang war der Vater insoweit vom guten Willen der Mutter abhängig. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat nun die Rechte der Väter gestärkt. Frau Zypries hat dieses Thema zu stiefmütterlich behandelt. Jetzt wird sich die neue Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger der neuen Rechtslage mit großem Engagement zuwenden müssen. Die Entscheidung ist auch im Hinblick auf die gesellschaftlichen Veränderungen zu begrüßen. Besonders in den Städten, aber nicht nur dort, werden zunehmend Kinder in nicht ehelichen Gemeinschaften oder bei nur einem Elternteil – dies könne auch der Vater sein - leben. Ich forderte aber, dass die neuen Rechte nun zu einem stärkeren Verantwortungsbewusstsein der Väter für ihre Kinder führen. Wenn Väter erkennen, dass ihre Vaterschaft mehr bedeutet als die Zahlung des Kindesunterhalts, nämlich, dass Kinder unsere Zukunft sind, für die sich ein intensiver, aufrichtiger Kontakt lohnt, wären wir in der Gesellschaft einen großen Schritt weiter.“

Jörg-Uwe Hahn - hessischer Justizminister

„Schon vor sechs Jahren hat das Bundesverfassungsgericht vom Gesetzgeber die Prüfung verlangt, ob Eltern die Möglichkeit von gemeinsamen Sorgeerklärungen tatsächlich genügend nutzen oder ob Änderungen der Rechtslage geboten sind. Diesem Auftrag hat die bisherige Bundesjustizministerin, Frau Zypries, nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt. Ich habe deshalb kürzlich als Vorsitzender der Justizministerkonferenz an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erinnert. Die heutige Entscheidung bringt zusätzlichen Druck von außen. Ich bin sicher, dass die neue Bundesjustizministerin nun schnell nach Wegen sucht, um eine grundlose Schlechterstellung von Vätern in Fragen der elterlichen Sorge zu vermeiden.“

Martens - sächsischer Justizminister

“Es ist für mich eine große Genugtuung, dass dieses große Leid und die Ohnmacht, die ich jahrelang empfunden habe, nun hinter mir liegen. Ich bin auch für die vielen betroffenen Väter froh, dass zu diesem Thema endlich eine Debatte neu geführt wird. Es gibt keinen Grund, einem Vater das Sorgerecht für sein Kind vorzuenthalten, wenn er diese Verantwortung übernehmen will. Mein Status als nichtehelicher Vater ist eine Katastrophe, ich bin acht Jahre gegen die Wand gelaufen. Die Bundesregierung kennt dieses Problem seit zehn Jahren. Ich befürchte allerdings, dass nur eine minimalistische Lösung gefunden wird und dass das Recht der Mutter weiter im Vordergrund bleiben wird."

Horst Zaunegger – Vater und Kläger

"Das Wohl des Kindes steht im Mittelpunkt. Wir sind dafür, dass ein Vater bei Gericht ein Sorgerecht beantragen kann, wenn er den Kontakt zu seinem Kind pflegt und pflegen will.“

Michael Grosse-Brömer (CDU) - rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion

"Ein Wunder wie leidensfähig sich die Männer erwiesen haben, die sich die Köpfe eingerannt haben und die für erine neue Beziehung und neue oder wirkliche Vaterschaften weder Geld noch den Kopf frei hatten. Ein Wunder, dass bei einem solchen System einige wenige Väter immer wieder jahrelange Instanzengänge mit erheblichen Kosten auf sich genommen haben. Bekommt ein nicht verheiratetes Paar ein Kind, trägt das Kind den Namen der Mutter und die Mutter hat das alleinige Sorgerecht und das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht. Der Vater ist zwar ab sofort unterhaltsverpflichtet, aber frei von Vaterschaftsrechten: kein Sorgerecht, kein Aufenthaltsbestimmungsrecht, nichts.Und das hat die Justiz in Deutschland – man muss wohl zynisch sagen, genussvoll, zeitgeistig und gnadenlos - in diesem Sinne 2003 erneut entschieden. Ein Neugeborenes, so wird andererseits behauptet, wenn‘s um politische Ideologien geht, hätte überhaupt keine Bindung zu den leiblichen Eltern. Jeder neugeborene Mensch müsste seine Beziehung zu irgendwelchen Erwachsenen neu aufnehmen und das könnten dann auch, mehr oder weniger bedeutungslos, die leiblichen Eltern sein, zu denen die Beziehung aufgenommen wird. Ansonsten gibt’s ja das seit 68er-Tagen berühmt-berüchtigte Modell der Bezugsperson. Aber zur Mutter, so das Bundesverfassungsgericht 2003, muss das Kind dann keine interaktive Beziehung aufnehmen, sondern eine quasi native Beziehung nur noch fortführen. Natürlich schwingt beim Bundesverfassungsgericht mit, dass die Mutter irgendwie der bessere Elternteil sei und das machen ja große Teile des Feminismus auch glauben und das setzt sich ja auch fort in einem herrschenden Gesellschaftsbild von der aus sich heraus moralisch besseren Frau gegenüber dem böseren Mann. Bei genauerer Betrachtung ist die Straßburger Entscheidung ein gewaltiger Schlag ins Kontor des Bundesverfassungsgerichtes und entsprechend schnell hat die neue Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger postwendend auch angekündigt zu reagieren und die deutsche Gesetzeslage zu ändern, zu Gunsten der Väter. Die Ministerin will noch Gutachten abwarten, betreff die Praxis der Gerichte. Allerdings: es scheint kaum etwas problematischer zu sein als Gutachten über gerichtliche Praxis im Bereich ideologisch und zeitgeistig besetzter Themen. Väter sind von der deutschen Rechtsprechung bemakelt und getriezt worden, von männlichen und weiblichen Richtern aus vielleicht unterschiedlichen Motivlagen heraus gleichermaßen: zahlen durften Väter immer, das ist demütigend in der Rechtspraxis. Das Urteil aus Strassburg ist auch eine schallende Ohrfeige ins Gesicht der Gutachtergilde und auch ins Gesicht der Jugendämter, wo man eine Mutterpräferenz der bisherigen deutschen Rechtslage entsprechend gnadenlos administrierte. Es klingt fast klein, was jetzt der europäische Menschenrechtsgerichtshof der deutschen Justiz und dem deutschen Rechtssystem an Schularbeiten aufgegeben hat, aber es ist für die betroffenen Schicksale vieler wahrscheinlich in die Millionen gehenden Väter und Kinder und Mütter von erheblicher Bedeutung. Leutheusser-Schnarrenberger scheint dies erkannt zu haben. Frau Leutheusser-Schnarrenberger sollte sich für eine Regelung einsetzen, dass der nicht eheliche Vater erst einmal das volle Sorgerecht von Gesetzes wegen bekommt, egal, auch ob er mit der Mutter zusammenlebt oder nicht. Das muss der Regelfall werden. Und dann führen die Eltern die gemeinsame Sorge oder sie gehen, wie im Scheidungsfall, zum Familiengericht und lassen eine neue Regelung, hoffentlich zum wirklichen Wohle des Kindes, treffen. "

Bettina Röhl - Journalistin und Publizistin


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