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veröffentlicht am 02. September 2009
Gewalt in Familien: Sind Männer die wahren Opfer?

Das Interview, das Grundlage zu diesem Kommentar ist, finden Sie hier: Gerhard Amendt: "Schafft die Frauenhäuser ab"

Ein Kommentar von BRIGITTE-Redakteurin Silke Baumgarten über Gewalt in Familien.

Recht hat er: Wir Frauen sind keine Unschuldslämmer. So weit kann ich Professor Amendt folgen. Wir sind in der Lage, andere fertig zu machen, zu beleidigen, zu demütigen, ja einige schlagen auch zu. Leider. Schön wäre eine Welt ohne fiese Menschen – aber eine Illusion. Dass Gewalt sich nicht nur in Schlägen manifestiert, sondern auch in psychischem Druck – eine Binse, die schon mit Beginn der Frauenbewegung diskutiert wurde. Allein der Versuch, diese These als irgendwie neu zu vermarkten, ist merkwürdig.

Doch die These führt zum Ziel. Und Amendts Absicht wird ganz deutlich, wenn sagt: „Psychische Gewalt ist langfristig viel schädigender als körperliche.“ Aus seiner Sicht heißt das: Frauen, die von ihren Partnern brutal missbraucht, verprügelt, bedroht, geschlagen werden, sind nicht Opfer – sie sind Täterinnen. Denn, O-Ton Amendt: „Frauen kränken und reizen Männer mitunter bis aufs Blut! Manche Männer reagieren dann mit körperlicher Gewalt.“ Männer sind also arme Wesen, sie nun mal nicht anders können. Amendt erinnert damit genau an die Argumentation einiger Männer, die Frauen auch für ihre eigene Vergewaltigung verantwortlich machen. Nach dem Motto: Wer kurze Röcke trägt, muss sich nicht wundern, wenn Männer Gewalt anwenden. Ein trauriges, ein schauriges Männerbild, das Amendt da entwirft. Wollen wir wirklich dahin zurück? Waren wir nicht schon weiter, hatten wir nicht begriffen, dass ein Zeichen der zivilisierten Gesellschaft die Triebsteuerung ist?

Genauso schaurig die Vorstellung, eine Frau soll mit dem Mann, der sie brutal misshandelt, gemeinsam in einem Familienhaus Zuflucht suchen. Wie soll das gehen? „Komm Schatz, Du schlägst mich zu viel - lass uns flüchten.“ Ich habe viel Phantasie, aber ich kann mir nicht eine Situation vorstellen, in der das gelingen könnte. Dabei brauchen Familien, in denen Gewalt herrscht, Hilfe – und zwar mehr als momentan angeboten wird. Diesen Aspekt sieht Gerhard Amendt durchaus richtig. Allerdings ist das nicht Aufgabe der Frauenhäuser. Sie müssen zunächst nur der Frau beistehen, ganz parteilich. Anders geht es nicht. Aber zusätzlich zum Schutz, braucht die Familie sofort eine zentrale Anlaufstelle – in der Juristen, Ärzte, Sozialarbeiter und Therapeuten zusammenarbeiten. Das Hin und Her diverser Ämter und Zuständigkeiten muss endlich beendet werden. Was Amendt als neue Idee verkauft, fordern Frauenhaus-Mitarbeiterinnen schon lange, unterstützt von vielen Frauenorganisationen.

Warum macht Gerhard Amendt also den ganzen Wirbel? Er will die sichere Finanzierung der Frauenhäuser verhindern. Die Diskussion darüber hat nach zähem Ringen der Frauenhäuser gerade auf Bundesebene begonnen. Noch kann Amendt da rein grätschen und für Männer, die er seit Jahren als verkannte Opfer sieht, eine Lanze brechen. Ein Lobbyist also, aber ein ziemlich einsamer.

Mit seiner überzogenen, einseitigen Deutung erinnert er ein bisschen an die frühe Alice Schwarzer. Sie hat uns Frauen damals, vor mehr als 30 Jahren, in Schwung gebracht, auch wenn wir nicht jede Kurve mit ihr nahmen. Soll Amendt doch nun endlich die Männer in Bewegung bringen. Das kann nicht schaden. Zumal ich sicher bin: Die ganz steilen Thesen, werden nur sehr wenige mit ihm teilen.

Quelle: Brigitte.de


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